Wie Wolf Schmidt seine Fernsehfrau fand
von Sabine Hock
Tingeltangel um die Wurst
Beim Kabarett lernten sich Wolf Schmidt und Liesel Christ um 1946/47 kennen. Die junge Schauspielerin, geboren 1919 in Frankfurt am Main, hatte als Kinderstar an den Bühnen ihrer Heimatstadt begonnen.Nach absolvierter Schauspielausbildung in Frankfurt und erstem Engagement in Koblenz war sie zur beliebten Operettensoubrette am Stadttheater Heilbronn aufgestiegen. Noch im Sommer 1944 nach Görlitz engagiert, kam sie dort zu ihrer schwersten Rolle – nicht mehr auf der Bühne, sondern im richtigen Leben: als Fußgängerin auf der Flucht heim nach Frankfurt.
Die Zuschauer vom Land bezahlten ihren Eintritt üblicherweise mit Naturalien, einem Ei, etwas Brot, gar einem Stückchen Wurst oder einem Krug Milch. Das war in der Not jener frühen Nachkriegszeit nicht mit Geld zu bezahlen. Jeder Künstler hatte immer eine Schüssel oder eine Milchkanne im Theatergepäck, um die „erspielten“ Lebensmittel auch den Lieben daheim mitbringen zu können.
Ebbel für „Die Zeitgenossen“
Bei einem ihrer Auftritte im Frankfurter Raum um 1946/47 sah Wolf Schmidt die Christ. Der frühere Journalist hatte gerade ein Kabarett gegründet, „Die Zeitgenossen“, mit denen er durch die amerikanische und die britische Zone reiste sowie regelmäßig in Radio Frankfurt, Stuttgart, München und Bremen zu hören war. Das Konzept für dieses „neue Zeit-Theater“, wie er es nannte, hatte Schmidt selbst entwickelt:[Es] verschmilzt Elemente des Sprechstückes, der Operette und des literarischen Kabaretts mit einer Kultivierung des zeitnahen Sketschs zu dem conférencelosen Nonstop-Programm, das nichts mit ‚buntem Abend‘ zu tun hat, sondern die Qualität einer überdurchschnittlichen Theaterveranstaltung mit der Breitenwirkung des Massenvarietés verbindet. Es werden nur Themen behandelt, die alle angehen, und sie werden so behandelt, daß der Gebildete nicht durch Primitivität abgestoßen und die breitere Zuhörermasse nicht durch zu hohe Ansprüche abgeschreckt wird. *)
Als Organisator, Autor und Hauptdarsteller der „Zeitgenossen“ suchte Schmidt öfter einmal neue Künstler für sein Kabarett, und nun fragte er Liesel Christ, ob sie nicht bei ihm mitspielen wolle. Sie sagte zu. Geprobt wurde in Schmidts Elternhaus in Friedberg, und dann ging’s los, auf eine Tournee durch Oberhessen, von der die Schauspielerin erzählte:
Wir sind durch den Vogelsberg gezogen mit einem offenen Lkw; wir haben auf jeder kleinen Gasthausbühne gespielt. Wenn wir nachts im Herbst heimgefahren sind, haben wir unter den Apfelbäumen gehalten, die Zweige geschüttelt, damit die Äpfel auf den Lastwagen fielen, und dann sind wir schnell abgebraust. Das ging gut, bis wir eines Tages Bauern mit Knüppeln bewaffnet bemerkten, die ihr Obst bewachten.
Wolf meinte: ‚Aha, anscheinend habbe die de Schnubbe geroche, mer könne uns jetzt net mehr so lang aufhalte.‘ **)
Bald ein Jahr lang war Liesel Christ mit Wolf Schmidt, seiner Partnerin (und späteren Ehefrau) Gretl Pilz und den „Zeitgenossen“ unterwegs. Eine Tournee an Rhein und Ruhr musste sie jedoch in Bochum abbrechen, weil sie infolge der andauernden Unterernährung an Hungerödemen litt.
Bevor sie nach Frankfurt zurückfuhr, wurde sie von Schmidt zum Abschied getröstet: „Aber wir finden uns wieder!“
Ein Heiratsantrag fürs Fernsehen
Fast genau zwölf Jahre später, im Frühjahr 1959, wurde Liesel Christ in den Hessischen Rundfunk eingeladen, zu einem Gespräch mit Hans-Otto Grünefeldt, dem damaligen Chef der Fernsehunterhaltung, dem sie dann gegenüber saß.Plötzlich öffnete sich hinter ihr – wie von Geisterhand – eine Tür, und eine vertraute Stimme sprach: „Ich hab' dir gesagt: Ich finde dich wieder!“
Es war Wolf Schmidt, der Liesel Christ an diesem Tag den Antrag machte, seine Frau Hesselbach in der Fernsehserie zu werden.
*) „Die Zeitgenossen“, Friedberg/Hessen, Werbeschrift, 1947.
**) Liesel Christ in einem Interview mit Christian Herrmann in: Es war einmal, [Zeitschrift der Augustinerschule in Friedberg], Jg. 1977/78, Febr. 1978.
Überarbeiteter Auszug aus "Liesel Christ / Volksschauspielerin. Eine Biographie", Frankfurt am Main, Kramer 2004. S. 76-78.
Dr. phil. Sabine Hock arbeitet als freie Autorin und Journalistin.
www.sabinehock.de