»Mein Erwin ist so wirtschaftlich«
Erna bekommt den Hirsch (schwäbisch)
Erna behält ihn (schwäbisch)
Erna bekommt den Hirsch (hessisch)
Erna behält ihn (hessisch)
Erna bekommt den Hirsch (Fernsehen)
Erna behält ihn (Fernsehen)
Der Satiriker Pit Knorr bezeichnete sie als "Erna-Monologe", die "wahrscheinlich in die Geschichte der komischen Literatur eingehen werden, jedenfalls sollten".
Es sind die Passagen in der Episode "Der röhrende Hirsch", in denen Mammas Nichte Erna zu Besuch kommt, und als Verlobungsgeschenk eine vermeintlich wertlose Bronzeplastik bekommt, und dann später nicht mehr zurückgeben will, als der Wert des Bronzehirschs - wiederum vermeintlich - doch viel größer ist als angenommen.
Den "röhrenden Hirschen" gibt es in vierfacher Ausfertigung: Einmal auf schwäbisch als 47. Hörspielfolge der "Familie Staudenmaier" mit Anne Andresen als Erna, dann als Hesselbach-Hörspiel (Nr. 32) mit Else Knott, dann als Fernsehfolge (Nr. 23) und schließlich in Buchform (siehe unten).
Alle Varianten haben ihren Reiz, allerdings hat das scharf gerollte "rr" der genialen Fernseh-Darstellung Gudrun Geweckes einen ganz besonderen.
Viel Spaß beim Genuss der Erna-Varianten!
Michael
Erna-Monologe im Buch
aus Die Hesselbachs. "Babba"
von Wolf Schmidt[...]
»Soooo, hier bringe ich euch unsere liebe Erna: ihr könnt ihr gratulieren! Denkt mal an, sie hat mir eben erzählt, sie hat geheiratet, in aller Stille...« Großes Händeschütteln, keine Küsse. Der Verwandtschaftsgrad war für Küsse zu entfernt, und Erna war auch nicht gerade verlockend. Weiß der Himmel, was dieser Erwin an ihr finden mochte! »No, siehste Erna, haste also auch noch einen gefangen«, sagte Babba, weil ihm nichts anderes einfiel. Und Peter ergänzte: »Ist ja auch kein Wunder, dass er so einem leidenschaftlichen weiblichen Wesen so bedingungslos verfallen ist...«, und Erna quietschte. Denn nun war sie verheiratet und durfte bei so was quietschen. Sie liebte Zweideutigkeiten, besonders die eindeutigen.
»Peter!« rief Mamma ihn zur Ordnung.
»Mein Erwin sagt manchmal auch so Sache, wo sich unsereins erscht garnix Böses dabei denkt. Aber direkt leidenschaftlich is er direkt net. Mein Erwin is so en ganz Ruhiger. Wenn mir e Viertelstund spazierngehn, da schläft dem schon der Arm ein.« Mamma zeigte den mitgebrachten halben Kuchen herum, der schon etwas antiquiert wirkte, und stellte ihn auf einen Kuchenteller — bitte zuzugreifen! Die Spenderin dankte, Mamma hatte heute schon so viel ..., Babba konnte beim Rauchen nicht, Heidi musste an ihre Linie denken (und daran, wie fabelhaft schlank dieser Fred Lindner war), und so war Peter der einzige ohne ästhetische und sonstige Bedenken und futterte den Kuchen allein.
»Soso, also Erwin heißt er«, sagte Babba, um das Gespräch im Gang zu halten.
»Ei ja, un der is halt net für große Hochzeitsfeiern, gell, wo sich fremde Leut auf eim seine Kosten de Ranze vollschlage, sagt er. Dafür soll mer lieber Möbel anschaffe, sagt er. Er is ewe sehr wirtschaftlich, de Erwin, gell.« »So. Aha.« »Also gefeiert hammir schon, gell, bloß im kleine Kreis, gell. Mein Erwin war ganz scheen blau. Der hat sogar mei Mamma geküßt.« »Soo blau?« staunte Peter.
»Ja, da is er direkt emal aus sich herausgegange. Aber er is lieber blau im kleine Kreis, sagt er, un nicht, wenn so viel Verwandtschaft dabei is. Dann sin die womöglich auch blau, und das is ihm wieder zu blau. Weil er verträgt des nicht, wenn annere blau sin, das verträgt er nicht. Wenn er selber blau is, des verträgt er schon, des ja, aber bei annere nicht, er ist ebe sehr eigen. Und sehr wirtschaftlich, gell. Und deswege wollt er auch lieber im kleine Kreis feiern, weil's ewe wirtschaftlicher is. Und meine Mamma wollt's ihm auch net direkt abschlage, denn es macht ja auch net soviel Arbeit, un vom wirtschaftliche Standpunkt ...«
Erna fuhr in diesem Sinne fort. Alles im selben Tempo, auf derselben Tonhöhe, ohne Punkt und ohne Komma, wie ein verschlammter Dorfbach mit einem halben Prozent Gefälle.
Peter erwog, sie mit dem großen Blumenkrug zu erschlagen, und schwang ihn drohend hinter ihrem Rücken. Heidi verstand aus der Schule die Kunst, den Lehrer mit starren Augen anzusehen und höchste Aufmerksamkeit zu simulieren, während sie ungestört an etwas ganz anderes dachte. Und jetzt, in Ernas Angesicht, dachte sie an Fred Lindner: ob er Sport trieb und einen Wagen hatte, ob diese inoffizielle Verlobung mit Fräulein Schneider noch lebe, ob er immer so nett sei, wie er vorhin zu ihr war, ob ihm ihr Kleid gefallen habe, ob er gestaunt habe, dass ihr Busen schon so groß ist, ob er versuchen werde, sie zu küssen, ob sie dann weglaufen oder zurückküssen werde, und dergleichen Wichtigkeiten mehr.
»Mein Erwin wollt ewe auch deswege im kleine Kreis feiern, weil ewe dann der Kreis auch kleiner is, gell, un da hat mer mehr davon, un weil es natürlich auch wirtschaftlich is ...« Erna brauchte nicht aufgezogen zu werden. Sie lief und lief und lief, bis man sie abstellte.
[...]
Im Schatten dieser Geräuschkulisse konnte Mamma ihrem Mann unauffällig den eingetretenen Notstand melden: Man hatte kein Geschenk für Erna. Als höflicher Mensch, der wusste, was sich gehört, würde Erna auch niemals ein Geschenk erwarten und es zunächst sogar mit allen Zeichen des Erstaunens als viel zu wertvoll ablehnen.
Andererseits würde sie aber auch diese Wohnung nicht verlassen, bevor sie nicht ihr Geschenk hatte. Würde man ihr aber klar sagen, dass man keins hatte, dann war Ernas Sippe beleidigt und die restliche Verwandtschaft auch, weil sie zähneknirschend Geschenke gekauft hatten, während die reichen Hesselbachs (ha!) mit ihrem Millionenunternehmen (haha!) sich drückten.
Nun hatte Babba, wie das bei Männern schon vorkommt, wenig Interesse an seiner eigenen Verwandtschaft und noch weniger an derjenigen seiner Frau. Verwandte haben ständig Geburtstage, es gibt Verlobungen und Hochzeiten, Konfirmationen und Kommunionen, zu denen man kommen oder mindestens schreiben muss. Und das auch noch mit der Hand, so dass man nie einen Durchschlag in den Akten hat, den man beim nächsten Fall als Muster verwenden kann. Entlobungen und Scheidungen werden zwar nicht gefeiert (obwohl dafür oft viel einleuchtendere Gründe vorlägen), jedoch führen sie meistens zu neuen Verlobungen und Hochzeiten, die man längst nicht mehr befürchtet hatte.
Auch die Beerdigungen wiegen nichts mehr auf, denn die Weltbevölkerung ist dabei, sich in den nächsten drei Jahrzehnten auf 6 Milliarden zu verdoppeln, und darunter sind dann auch garantiert doppelt so viel Verwandte! Ernas dicklicher Redefluss wälzte sich noch immer träge dahin, ohne Hoffnung auf ein Anhalten, geschweige denn sein vollständiges Versiegen. Denn wenn Erna nichts mehr einfiel, was sie noch nicht gesagt hatte, so wiederholte sie ohne Scheu und Unterbrechung alles von vorne.
Babba verstand, dass sie ohne Hochzeitsgeschenk von diesem Stuhl nicht weichen würde. Könnte man es ihr aber geben, hier und jetzt, so wäre sie in zwei Minuten draußen.
Babba hatte eine verwegene Idee. Mit plötzlicher Wut zischte er Mamma plötzlich ins Ohr: »Wie kannst du nur dieses Geschenk vergessen?! Wie stehen wir jetzt da vor der Familie!? Unerhört, was du mir da wieder eingebrockt hast! Jetzt bleibt mir wahrhaftig nichts anderes übrig ...« Und er stand mit einer gewissen Förmlichkeit auf und hielt eine Glückwunschrede an Erna, die aus reinem Zucker und Öl bestand. Große Freude für uns alle — mögest du auf dem gemeinsamen Lebenswege — Freuden der Ehe — der Mensch nicht allein sei — möge es auch an Nachwuchs nicht mangeln — möge dies und möge das ...
»Nun sind wir aber nicht ganz so unvorbereitet, wie du vielleicht annimmst, liebe Erna, und wir haben uns ein Geschenk für euch ausgedacht...« Mamma sah ihn ahnungslos an, die Kinder spitzten die Ohren, und Erna zeigte einen Ausdruck abgrundtiefer Skepsis, nachdem ihr Erwin die Geschenkresultate von sechs vorangegangenen Verwandtenbesuchen bereits herb kritisiert hatte.
»Es ist kein Geschenk für den Augenblick«, fuhr Babba fort, »es ist ein Geschenk, das euch begleiten möge durchs ganze Leben.«
Doch kein Elektroquirl, hoffte Erna: sie hatte bereits drei bekommen. »Ein nicht ganz kleines Geschenk!« Um Himmels willen, er wird ihr doch nicht unser Klavier schenken, durchfuhr es Mamma. Denn er hatte neulich dieses Klavier als das sinnloseste aller ihrer Möbelstücke bezeichnet und zugleich auch als das lästigste, weil niemand in der Familie Klavier spielen konnte, aber jeder unerträglich darauf herumklimperte.
»Möge dieses Geschenk inmitten all der schönen und mehr praktischen Geschenke, die du sicher auch bekommen hast...«
Mamma und die Zwillinge durchforschten ihr Gedächtnis nach unpraktischen goldgeprägten Alben, kamen dann auf den gesammelten alten Goethe, der nicht weniger als dreimal vorhanden und garantiert unbenutzt war. »... möge es ein Symbol der Kraft und des Lebenswillens für dich und die deinen sein und euch auf eurem ferneren Lebensweg begleiten!«
Schnaps, dachte Mamma und entspannte sich. Sie hatten im Keller eine ganze Kiste sehr repräsentativer Flaschen, die der Firma gehörten und als übliches Geschenk für fünfzigjährige Angestellte, für langgediente Betriebsjubilare, Ehrengäste, Auftragsbringer und prominente Besucher verwendet wurden.
Das medaillengeschmückte Etikett versprach dem regelmäßigen Genießer Kraft und Energie. — Eine sehr gute Idee. Dass sie nicht selber darauf gekommen war! » — So überreiche ich dir denn diese wundervoll lebensechte Bronzeplastik von keinem Geringeren als Oskar Deubel!« schloss Babba und zog Erna von den grinsenden Kindern und der tiefbeleidigten Mamma zum Blumenfenster, wo Lindner den Hirsch vorhin zwischen Philodendron- und Gummibaumblättern hingestellt hatte.
Mamma sah mit dem Vorwurf einer Verratenen wortlos zu ihrem Mann, aber der blickte sie vorsichtshalber nicht an.
Mamma hatte die Hirsch-Partie verloren. Wenn sie jetzt protestierte, gab es einen Familienskandal, und wenn sie den von Münzenberger geschätzten Kurswert des Hirsches von 7 Mark 5o preisgab, dann konnte der Skandal nur noch ärger werden.
Die Zwillinge grinsten zu Mamma hinüber, aber sie blickte so traurig drein, dass Heidi sie spontan küsste und Peter ihr durch beruhigendes Streicheln die Frisur zerdrückte.
Babba hatte den Hirsch inzwischen auf den Arm genommen wie eine Katze und ließ Erna nicht zu Worte kommen.
»Du musst wissen, dass uns dieses bedeutende Werk seinerzeit von einem berühmten Sammler moderner Bronzekunst anvertraut wurde, genauer gesagt der Mamma, also deiner Tante Mariechen, die sich daher auch gar nicht leichten Herzens davon trennt. Aber dennoch soll dieses Werk von dem zu seiner Zeit berühmten Oskar Deubel ...« »Wald«, sagte Peter.
»Was für'n Wald?« »Wald! Oswald Deubel, Babba!« »Naja, ob Kar oder Wald, jedenfalls ein allgemein bekannter Künstler, der in seiner Bronzeplastik das Röhren dieses Hirsches so recht lebensnah und gekonnt, aber doch symbolisch überhöht und in genialer Linienführung gewissermaßen vergeistigt und so weiter und so weiter — mit einem Wort; da hast du ihn!« Und er legte ihn Erna in den Arm wie einen Säugling.
Die Kinder schrien »Bravo!« Mamma sah Babba an und sagte tonlos: »Kall.«
Erna fand die Sprache wieder: »Aber das kann ich doch garnet annehme, Onkel Kall. Dass ihr euch von so einem Wertstück trennt. Das is doch viel zu teuer. Hätt' doch gelangt, wenn ihr mir irgendwas für meine Wirtschaft gegeben hättet — Toaströster hab' ich zum Beispiel noch keinen — weil nämlich mein Erwin, der denkt ja auch mehr wirtschaftlich, gell.«
Aber Babba ließ sich den Sieg nicht mehr nehmen: »Deine Bescheidenheit in allen Ehren, liebe Erna, aber geschenkt ist geschenkt. Geschenke nimmt man nicht zurück.«
»Am wenigsten diesen Hirsch«, pflichtete Peter treuherzig bei, und Heidi gab ihm einen gezielten Tritt gegen den Knöchel.
»Also keine falsche Bescheidenheit, Erna. Bist du mit dem Auto da?« »Ei ja, mit unserm Lieferwage, mer weiß ja nie, was die Leut' eim als für sperriges Zeug schenke, gell.«
»Sehr praktisch! Peter, du trägst den Hirsch zum Lieferwagen, und du, Heidi, gibst deiner Kusine das Geleit bis auf die Straße. Hopphopp, Bewegung! Schad', dass du nicht noch ein bisschen bleiben kannst, Erna, aber wir wissen ja, dass du weiter musst mit deinem Lieferwagen, und wir müssen ja auch weiter !«
So schwätzte er Erna, Kinder und Hirsch hinaus, holte dann tief Atem und stellte sich Mamma zu dem nach allen Verhaltensgesetzen Hesselbachschen Lebens jetzt fälligen großen Krach.
[...]
Es klingelte an der Wohnungstür. Und Mammas Programm lief an. Erna war gebeten worden, noch einmal vorbeizukommen.
Zum Kaffee.
»Siehst du, Ernachen, das hab' ich doch gleich gefühlt, dass dir unser Hochzeitsgeschenk nicht so richtig gefallen hat«, brachte Mamma bei der ersten Gelegenheit an, und Erna widersprach ihr nicht. »Der Babba hat mich da richtig überfahren.
Ich hab' nur deswegen nichts gesagt, damit du nicht etwa denkst, ich gönn' dir den Hirsch nicht. Aber einen Erinnerungswert hat er für dich natürlich nicht. Aber für mich hat er schon einen ...« »Ist das eigentlich wahr, dass du damals mit dem Kommerzienrat Hoxhohl was gehabt hast?« fragte Erna dazwischen, und Mamma wurde dunkelrot bis violett.
»Ei Erna!! Ei, wie kommst du denn dadrauf?« Sie zitterte so, dass sie beinahe das Stück Obstkuchen fallen ließ, das sie auf Ernas Teller legen wollte.
»Ei, weil meine Mamma hat mir erzählt, du wärst bei ihm im Büro gewesen, im wenn der nix mit dir gehabt hätt', dann wär des direkt en Wunder, weil der's doch bei jeder probiert hätt.« »Wenn deine Mamma das weiß, dann wird's wohl stimmen.
Deine Mamma war ja dort beschäftigt! Wenn sie solche Erfahrungen gemacht hat — ich jedenfalls nicht! Ich war ja nicht fest beschäftigt, nur Volontärin, um so mal den Betrieb kennenzulernen, weil meine Eltern doch mit Hoxhohls befreundet waren, während meine Kusine Hedwig — also deine Mamma — eine richtige Angestellte war.« »Noja, is ja auch wurschtegal.« Erna war entschlossen, diesen Obstkuchen nicht überleben zu lassen, und kaute aus vollen Backen am fünften Stück.
»Aber weil wir grad von dem Hirsch reden, Erna — ich meine, den vom Onkel Hoxhohl ... Ich durfte ja immer Onkel zu ihm sagen, und der Hirsch war ja auch sein Hochzeitsgeschenk ...«
»Ja, da hat sich meine Mamma auch drüber gewundert, dass mer so was verschenkt, weil's ja auch noch hinte draufsteht, auf dem Täfelche — von wem's is un deß es ewe e Hochzeitsgeschenk is, un auch noch von so eme Kerl, der's bei jeder probiert hat!«
»Also bei mir jedenfalls nicht, Erna, aber ich muss dir insofern recht geben, als die Idee, dir diesen Hirsch zu schenke, nicht von mir ist, sondern der Onkel Karl hat da ganz spontan, ohne mich zu fragen, dir was Gutes tun wollen. Und hat gar nicht so bedacht, dass das eigentlich kein geeignetes Geschenk ist, weil es doch mehr eine persönliche Erinnerung von mir ist. Aber das hat er halt nicht so bedacht, weil er ja auch die Zusammenhänge nicht so kennt.«
»Ja, des hat meine Mamma auch gesagt. Der Onkel Kall, der dät bestimmt die Zusammenhäng nicht kenne, sonst hätt' der dich bestimmt net geheirat.«
»Erna!« Mamma war hart im Nehmen, aber eine derartige Unverschämtheit! Doch dann dachte sie an die 5 000 Mark für zwei Hirsche und riss sich zusammen. »Jedenfalls hab' ich mir gedacht, es wär vielleicht in deinem Sinn und auch von deinem Erwin, wenn wir euch lieber was anderes zur Hochzeit schenken würden als ausgerechnet einen Hirsch. Und jetzt hätt' ich hier also dieses reizende Kaffeekännchen: das ist doch viel praktischer für einen jungen Haushalt. Ist das nicht goldig?«
»Noja. Halt so e Kännche ...«
»Und diesen alten Hirsch, den darfst du mir ruhig wiederbringen, das nehm' ich dir überhaupt nicht übel, Erna. Das war doch nur so eine typische Männerdummheit vom Onkel Karl, gell?«
»Ja, also, das Kaffeekännche, des nemm' ich schon, gell. Dankeschön auch, Tante Marieche. Viel Wert hat das ja nicht, gell. Ich hab' auch schon vier Kaffeekännchen zur Hochzeit gekriegt, no, und da kommt auch noch allerhand nach.«
»Ach, Kaffeekannen kann man gar nicht genug haben, Ernachen !«
»Die andern sind zum Teil auch besser als das da. Und übrigens, mein Erwin trinkt sowieso kein' Kaffee, der is so ...«
»Wirtschaftlich, ich weiß!«
»Nein, der ist so gegen aufpeitschende Getränke, sagt er. Aber ich tät das Kaffeekännche schon behalten, gell. So was kann mer ja immer brauche, zum Verschenke. Dankeschön auch, Tante Marieche. Aber den Hirsch will ich natürlich auch behalte.«
Das fehlte gerade noch, dachte Mamma. Jetzt bloß keine Panik und sie nicht verärgern! »Du verstehst mich nicht ganz, Ernachen. Diese Kaffeekanne geb' ich dir ja als Ersatz für den Hirsch. Den Hirsch hätt' ich halt ganz gern wieder. Weil's eben doch eine persönliche ideelle Erinnerung ist, die ja für Euch verständlicherweise keinen rechten Wert hat.«
»Ja, des hab' ich mir auch glei gedacht, dass der Hirsch kein' Wert hat. Un wie ich heimgekomme bin, da hab' ich auch gleich zu meim Erwin gesagt: Die Hesselbachs, die hawwe mir da vielleicht en ganz schöne Dreck angehängt. Und mein Erwin sagt auch: Jaja, die lieben Verwandten... Mußt schon entschuldige, Tante Marieche, aber des is die Wahrheit, und da kann mer sie ja auch sage. Aber dann hat mei Mamma gesagt: Dieser Hirsch is gut seine fünfhundert Mark wert.«
»Deine Mutter? Woher will die das denn wissen?«
»Ei, weil mei Mamma doch uff deiner Hochzeit war, und du hast ihr damals selber gesagt, der Hirsch wär' vom Hoxhohl un vierhundert Mark wert.«
»Nein, dreihundert!« warf Mamma hitzig ein.
»Siehste, un meine Mamma wollt's net glauwe, wie ich ihr gesagt hab: No, da wird die Tante Marieche die Hälft' dazu geloge hawwe. Jedenfalls mein Erwin, der hat dann gesagt, das is natürlich was anneres, da kann mer dann nix gege den Hirsch sage.«
»Ich möchte aber, um's noch mal ganz klar zu sagen, den Hirsch gern zurückhaben!«
Erna kaute und dachte nach. So etwas war ihr noch nicht passiert. »Ja, also des glaub' ich net, dass mein Erwin des mache dut. En Hirsch für vierhundert Mark gege so e Kaffeekännche, des wahrscheinlich im Ausverkauf für vier Mark fuffzig ...«
»Diese Kaffeekanne ist echtes Markenporzellan, meine liebe Erna, und sie ist ja auch, sozusagen und gewissermaßen, nur als Muster gedacht, nicht wahr. Um zu wissen, ob's dir gefällt. Und dann wollte ich dir selbstverständlich ein Essservice schenken — oder auch das Kaffeeservice, je nachdem, was du gern hättest.«
»Ach, was kann mer dann mit so e paar Sache anfange, wenn des Service net komplett is?!«
»Ich will ja grad damit sagen, dass es möglichst komplett sein soll«, sagte Mamma und rechnete fieberhaft aus, was das kosten würde. »Jedenfalls möchte ich eben aus gewissen persönlichen Gründen meinen Hirsch wiederhaben !« (Ja, es rentierte sich immer noch haushoch, fand sie kopfrechnend heraus).
Erna liquidierte das letzte Stückchen Obstkuchen. »No, des hab' ich aber auch noch net gehört, dass eins kommt un will seine Geschenke wieder! No, da weiß ich net, ob mein Erwin da seine Zustimmung erteile tut. Was soll das überhaupt für ein Service sein, für sechs oder zwölf Persone?. Weil ja ein Sechs-Persone-Service is ja natürlich net so viel wert wie ein Hirsch, wo schon vor vierzig Jahrn vierhunnert Mark gekost hat, haste ja selber gesagt — weil des ja ein Kunsthirsch is. Un Kunst steigt ja alsfort im Preis, sagt mein Erwin. Also bei einem Zwölfpersone-Service, da dät der vielleicht schon mit sich rede lasse — er ist ja garnet so — nur halt wirtschaftlich.«
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