2013-03-05

Ich war der »Kulissenschieber«

Anläßlich des 100. Geburtstages von Wolf Schmidt kommen in mir längst vergessene Erinnerungen hoch: Ich habe als Junge im Alter von etwa 13 oder 14 Jahren Wolf Schmidt und sein Filmteam in meiner Heimatstradt Friedberg kennen gelernt. Damals drehte er in seinem Elternhaus, dass sich in der Straße "Am Taubenrain" befindet, seine Filme über die "Familie Hesselbach".


Dreharbeiten in Friedberg


Ich kenne heute nicht mehr die näheren Umstände, wie Wolf Schmidt meinen Vater Oskar Heimburger, selbstständiger Zimmermeister mit einem kleinen Sägewerk und einem Zimmergeschäft in Friedberg, kennen lernte. Mein Vater und Wolf Schmidt wurden sich auf jeden Fall handelseinig, dass mein Vater die Filmkulissen für die im Taubenrain zu drehenden Produktionen herstellen sollte.

Die Kulissen, die damals entstanden, würden heute jeden Produzenten zu Tränen rühren: Wände, Türen, Fenster oder Treppen wurden als "kunstvolle" Imitationen unter anderem aus Polyäthylenfolien und Holzlattenrahmen hergestellt. Für meinen Vater eine ernst zu nehmende Herausforderung, da er mit solchen Arbeiten bis dahin noch nie zu tun hatte. Die Beteiligten müssen aber ganz zufrieden damit gewesen sein.

Ich weiß heute nicht mehr wie lange damals gedreht wurde, aber gut kann ich mich noch an das Procedere erinnern, wenn auf einem kleinen Anhänger, der gezogen wurde von einem 24-PS starken, schwarzen VW-Käfer in unserer Werkstatt in der Frankfurter Straße die Kulissen verladen wurden, um in den Taubenrain transportiert zu werden.

Mein Vater hat mich immer mitgenommen, quasi als "Kulissenschieber". Ich habe meine Arbeit selbstverständlich sehr ernst genommen.

Für mich war das natürlich alles furchtbar aufregend: An den Kameras befanden sich seitlich die großen runden Filmbehälter. Als Beleuchtung dienten Lampen, die ich heute mit Baustrahlern vergleichen würde.

Am Taubenrain war während der Dreharbeiten ein ständiges Kommen und Gehen, Geräuschkulissen aus Stimmen- und Gerätegeklapper, mal lauter, mal leiser und mitten drin Wolf Schmidt, der immer sehr nett zu mir war.

Unvergesslich auch die Produzentin Lia Wöhr aus Frankfurt, die jeden duzte; so auch meinen Vater, der sich hin und wieder über den Fortgang des Filmens, wahrscheinlich sehr unqualifiziert, äußerte, bei einer solchen Gelegenheit in echtem Frankfurter Dialekt zurief: "Oskar, redd net so'n Mist".

Irgendwann waren die Dreharbeiten in Friedberg beendet, und ich wartete gespannt darauf, in einem der (damals) drei Kinos die "Familie Hesselbach" zu sehen.

Dann war es soweit. Ich sammelte meine Freunde und Klassenkameraden, um zu verkünden, dass wir heute ins "Pali" gehen müssten; da gäbe es doch einen Film von einem berühmten Friedberger. Ich konnte den Vorspann kaum abwarten, bis dann schließlich unter "Bauten" stand: Oskar Heimburger.

Stolz verkündete ich in die Runde: "Mein Vadder"! - Ich weiß nicht mehr, wie das bei den Freunden ankam. Ich weiß aber noch, wie stolz ich als Junge war, unseren Familiennamen auf der Leinwand eines Kinos zu sehen.

Mein Vater, der "Kulissenbauer", ist schon lange tot.

Für mich war das damals ein großes Erlebnis, und diese Erinnerungen lösen auch heute noch große Freude bei mir aus.

Gunter Heimburger