2013-02-27

Die Musik der Hesselbachs

Übersicht


Einleitung: Die Hesselbachs im Polkatakt

Jeder Hesselbach-Fan kennt sie, die slapstickhafte (Fast-)Stummfilmsequenz im „Schwarzen Freitag“, in der die Belegschaft der Firma Hesselbach verzweifelt nach einem Ersatz-Rock für Babbas große Rede sucht. Oder die, in der Babba dauerlaufend zwischen den unversöhnlichen Damen Hesselbach, Siebenhals und Frau Dr. Tritschel im Kasus „Dreckrändchen“ vermittelt. Diese Szenen verdanken einen Großteil ihrer Komik der Inspiration von Willy Czernik, der die bekannten Hesselbach-Themen für jede Fernsehfolge variiert und – nach der Stoppuhr - meisterlich für Orchester arrangiert hat. Das Gleiche gilt, wenn auch in einem ganz anderen, sehr eigenständigen 50er-Jahre-Sound, für die Kompositionen Wolfram Röhrigs, die in den Hesselbach-Kinofilmen so manches bildtechnische Defizit wirkungsvoll ausgleichen halfen.


Die Musik in den Hörspielen

von Kai S. Knörr


Bei den Hörspiel-Hesselbachs kam der Musik zunächst eine andere Funktion zu. Ganz wichtig war sie natürlich für die Atmosphäre in Traumsequenzen, etwa, wenn Babba in stampfenden Fortschrittsfanfaren kraft beharrlicher Arbeit vom „Prokuristen einer angesehenen Firma“ zum Weltpräsident emporsteigt, und dann im nächsten Moment wegen Mammas penetrantem Beharren auf Senkung der Frankfurter Eierpreise wieder auf den harten Boden der Hesselbachschen Eherealität aufschlägt (Folge 19: Neujahresträume).

Außerhalb dieser Szenen, in der Intimität der eigenen vier Wände, wie auch der irgendwie immer ungemütlich wirkenden Straßenszenen, spielte Musik bei den Hörspiel-Hesselbachs eigentlich keine große Rolle. Die Musik findet sich stattdessen in der tonalen Qualität der Texte, im unverwechselbaren Sprachgroove, der von den vier „Hesselbachs“ Wolf Schmidt, Lia Wöhr, Sofie Engelke und Joost Siedhoff und häufigen Gästen wie Else Knott, Carl Luley und Fritz Saalfeld in perfekt eingespielter und intuitiv funktionierender Teamarbeit hevorgezaubert wurde.





Anfangs wurden die Radiofolgen offenbar trocken angesagt bzw. waren in Unterhaltungssendungen wie den „Bunten Samstagnachmittag“ eingebettet, bis ab Folge 23, „Der Einbrecher“, Josef Rixners „Feierabendpolka“ als Erkennungsmusik vorgespannt wurde.

Seitdem wurden die Hörer mit den klingenden Worten „…von und mit Wolf Schmidt“ auf die „hessische Alltagschronik“ eingestimmt. Während der ganzen Hörfunkära, auch im Kinofilm „Herr Hesselbach und die Firma“ und später im Fernsehen begrüßten die Hesselbachs ihr Publikum im Polkatakt.

Nach dem vorläufigen Ende der Fernseh-Hesselbachs 1963 kehrte Herr Hesselbach mit seinen späteren Stadtrat-Kollegen in fröhlicher Diskussionsrunde ins Radio zurück. Die Titelmusik des „Stammtisch Hesselbach“ sollte, auch weil die Sendungen nicht nur vom Hessischen Rundfunk sondern z.B. auch vom Sender Freies Berlin ausgestrahlt wurden, an die Radio- und Fernsehtitelmusik anknüpfen. Zu Beginn erklang ein subtiles wie kurioses Gemisch aus beiden bekannten Erkennungsmusiken.


Notenmaterial

Die Musik in den Filmproduktionen

von Kai S. Knörr



Als besonderer Glücksfall für Schmidt erwies sich die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Wolfram Röhrig (1916-1998), der in sehr individueller Weise Musiken für alle fünf Spielfilme Schmidts schrieb.

Originelle und tragfähige Kompositionen wurden für die Filme schon deshalb so wichtig, weil sich damit in erstaunlichem Maß technische und damit optische Schwächen kompensieren ließen, die Schmidt aufgrund der sparsamen Produktionsweise in Kauf nahm. Insbesondere die durch die Playback-Technik entstehenden Probleme konnten vielfach durch geschickten Musikeinsatz gemildert werden.

Natürlich hat sich die technische Qualität infolge der Erfahrungen, die er und sein Team sammelten, im Laufe der Zeit verbessert. Aber wenn man sich die erhaltene Filmfragmente bzw. den komplett erhaltenen Film Familie Hesselbach im Urlaub (1955) ansieht, wird die Bedeutung Wolfram Röhrigs für den Erfolg des ganzen Projekts deutlich.




Beim Hessischen Rundfunk hatte Röhrig von 1953 bis 1955 als Produktionsleiter Musik der Unterhaltungsabteilung gearbeitet, wo er und Schmidt sich vermutlich kennen lernten. Danach wechselte er als Leiter der Abteilung Unterhaltungsmusik zum Süddeutschen Rundfunk. Sein größtes Interesse galt dem Jazz. Dreißig Jahre lang hatte er den Vorsitz des größten Verbandes der deutschen Jazzszene, und bis kurz vor seinem Tod organisierte er Veranstaltungen mit internatonalen Künstlern und Nachwuchsmusikern.

Auch die Hesselbach-Filmmusiken sind durchdrungen von Jazz-Elementen. Man muss insgesamt die Intensität und Eigenständigkeit bewundern, mit der Röhrig arbeitete. Leider ist nichts über die Vertragskonstellation zwischen Schmidt, Röhrig und dem Union Filmverleih bekannt. Vielleicht wäre dann mit Sicherheit zu klären, warum Röhrig bei den Filmmusiken unter dem Pseudonym Wolf Droysen arbeitete.







Die Musik in den Fernsehsendungen

von Dr. Harald Schäfer



Die Musik spielte in der Hesselbach-Serie eine wichtige Rolle.

Willy Czernik (1901-1996), Sachse, Komponist (»Willst du mit mir in die Sonne geh'n?«) und ehemaliger Theaterkapellmeister, hatte für Vor- und Nachspann ein aus der musikalischen Umkehrung der seinerzeitigen Hörfunkmelodie signifikantes Leitmotiv entwickelt, das man als Erkennungsmelodie bald allenthalben kannte und nachpfiff. Diese Melodie wurde öfters auch als musikalische Brücke bei Szenenübergängen angewendet. Czernik war ein Quell immerwährender Freude. Lange Zeit hatten wir uns über seine unerklärlichen Musik-Stoppzeiten gewundert, die sich hinterher immer als falsch erwiesen. Dann fanden wir den Grund: Willy Czernik hatte die Minute stets mit 100 statt mit 60 Sekunden zusammengezählt.

Normalerweise setzte nach dem Zusammenschnitt der einzelnen Folgen eine musikalische Nachbearbeitung ein. Außer dem bereits erwähnten Vor- und Nachspann wurden besonders die Brücken -das sind zeitliche oder räumliche Szenenwechsel -und Montage-Musiken im Zeitrafferstil mit Sorgfalt behandelt und dem Zuschauer musikalisch-leitmotivische Hilfe angeboten. Ein Musikteppich zur Untermalung von Dialogen oder Handlungsabläufen, zur atmosphärischen Unterstützung von Stimmungen wurde so gut wie nie verwendet; Musik hatte innerhalb der Szenen eine funktionelle Bedeutung und wurde keinesfalls vordergründiger Selbstzweck.

Ausnahmen waren die von Wolf Schmidt präferierten pantomimischen Einlagen, die mit ausgeklügelt synchronen Musikeffekten in meist fugaler Form kontrapunktisch oder kommentierend Unterstützung fanden.




Die vom Komponisten ständig wieder angebotene orchestrale Besetzung mußte von Produktion und Regie jeweils auf ein erträgliches Maß kammermusikalischen Arrangements herunterdebattiert werden, was freilich manchmal nicht gelang. Dadurch kamen für die Familienserie zu monumentale Töne und Überfrachtungen vor; die illustrativ-untermalende konnte gegenüber der dramatisch-unterstützenden Funktion überhand nehmen.

Im Verlauf der 51 Folgen wurde die musikalische Umrahmung und deren identifizierende, unterstützende oder steigernde Wirkungsweise immer weiter beschnitten und ihr Einsatz eingeengt, die Übergänge rein optisch gestaltet, und schließlich blieb lediglich die eingeführte Titelmusik übrig.

Auszug aus Harald Schäfer: "Die Hesselbachs. Erinnerungen an eine erfolgreiche Familien-Serie aus den Anfangszeiten des Fernsehens", R. G. Fischer, 1996.
Mit freundlicher Genehmigung: Erben Harald Schäfer.