2012-12-19

Über die erste Ehe

Irm und Wolf, beide 20 Jahre alt1933 , ein Jahr bevor sie sich kennen lernten, lebten beide in Berlin, kamen aber aus ganz verschiedenen Welten.

Irm, die Tochter eines arbeitslosen Hilfgärtners, der jahrelang sein spärliches Einkommen auf dem Kreuzberger Friedhof verdient hatte, wuchs in großer Armut in einem Hinterhaus in der Yorckstraße auf. Die Familie lebte in einer Einzimmerwohnung mit Küche und Kammer für wechselnde Schlafburschen. Der Vater, ein autoritäter, schweigsamer Mann, der bei allen Begräbnissen, die Reden der Pastoren gehört hatte, um anschließend die Grube zuzuschaufeln, verachtete die Kirche und verehrte Bebel. Die Mutter, schon älter, ging sonntags zweimal zur Kirche und werktags, wann immer sie Zeit hatte.

Irm war intelligent und fleißig, sie wollte aus diesem Milieu heraus und trat schon in jungen Jahren der Kommunistischen Partei bei. Sie fand dort Freunde, die sie nicht nur mit zu den Demonstrationen nahmen, sondern ihr auch zu einem weiteren Weltbild verhalfen. Sie hatte die Handelsschule abgeschlossen und wurde Sekretärin in einen Verlag. 1933 mußten viele ihrer Freunde fliehen, sie selbst entging einer Verhaftung nur knapp, weil sie gewarnt wurde und lebte danach in großer Angst vor einer Verhaftung durch die Nationalsozialisten.

Wolfs Elternhaus war deutschnational gesinnt, der Vater antikirchlich, die Mutter fromm - nur diese eine Gemeinsamkeit war da.

Berlin, 1934. Wolf Schmidt mit Irm Klicke und dem zukünftigen Schwiegervater
1934 verliebte sich der Chefredakteur Wolf Schmidt in das schöne Fräulein Kliche. Er machte ihr mehrere Anträge und sie beschlossen, kurz nach seinem 21. Geburtstag zu heiraten. Die Mutter im fernen Friedberg war entsetzt, ihr Mann, Prof. Dr. Karl Schmidt, wurde nach Berlin entsandt, um diese Eheschließung zu verhindern. Er sah seine zukünftige Schwiegertochter und war sofort mit der Wahl seines Sohnes einverstanden. Ob Wolf oder der Vater da auch schon die politischen Überzeugungen der jungen Frau kannten, weiß man nicht, sie teilten sie jedenfalls sicher nicht.

Irm war nicht nur in den aufstrebenden jungen Mann verliebt, sie sah in ihm auch einen Schutz vor den Übergriffen der Nazis. Wolf hatte einstweilen seinen Frieden mit ihnen gemacht. Das junge Paar zog in Berlin mehrfach um, bis sie eine Wohnung mit Garten in Berlin-Nikolassee fanden.

Friedberg 1934






Irm fühlte sich in dem ihr fremden bürgerlichen Milieu durchaus wohl. Sie ging nicht mehr arbeiten, sondern bereitete Wolf, wie gewünscht, zwei warme Mahlzeiten am Tag zu.

Ihre Schwiegermutter war ihr ein Vorbild, sie besuchte die Friedberger gerne und lernte eine bürgerliche Haushaltsführung kennen.

1934 war sie zum ersten Mal am Taubenrain und fühlte sich dort mehr geliebt und verstanden als bei ihren Eltern.

Da Wolf inzwischen zum Feuilleton gewechselt war, um sich nicht mehr zu einer Politik bekennen zu müssen, die ihm sehr bald gründlich zuwider geworden war und nur noch halbtags bei der Zeitung arbeitete, hatte er Zeit genug, um sich seinem eigentlichen Lebensziel zu widmen.

Er wollte Theaterautor werden und verfasste ein Stück nach dem anderen, nur „für den Papierkorb“ .Er schrieb im Stile von Curt Goetz, dessen Gesellschaftskomödien ihm ein Vorbild waren.

Die Ehe war harmonisch, es fehlte nur noch ein Kind. Das kündigte sich im Jahre 1939 an. Der Kriegsausbruch war ein Schock für Irm, Wolf hatte ihn schon lange kommen sehen und meldete sich freiwillig, in der richtigen Annahme, dass er sich dann die Truppengattung aussuchen könne.

Auf Grund seiner Vorgeschichte und der sehr guten Französisch-Kenntnisse kam er zur Pressekompanie nach Paris. Derweil war Irm todunglücklich in Berlin und hatte nur den Beistand ihrer Schwiegermutter in dem schwierigen letzten Schwangerschaftsmonat.

Anja kam am 9. Januar 1940 zur Welt.

Anja 1940


An seinem 27. Geburtstag war der junge Vater zu Hause, zu Besuch bei der kleinen Anja, die etwa ein Jahr später in einem großen geschlossenen Korb von ihrer Mutter nach Paris geschmuggelt wurde. Ehefrauen durften mit ihren Männern nach Frankreich mitkommen, wenn sie dort arbeiteten, Kinder sollten in Deutschland bleiben.

Irm war unglücklich in Paris, sie spürte, dass sie als Feindin nicht willkommen war.

Irm und Wolf in Paris 1942


Die Ehe begann zu kriseln. Wolf fühlte sich in Paris wohl, er hatte noch viele alte Kontakte aus seiner Zeit als Auslandskorrespondent. Er fühlte sich sicher und genoss das aufregende Pariser Nachtleben.

Irms Aufenthalt dauerte nur ein halbes Jahr, dann kehrte sie mit dem Kind zurück nach Berlin, wo die Bombardierungen mehr und mehr zunahmen.

Im August 1943 wurden Frauen und Kinder aus Berlin evakuiert. Irm wollte nicht nur in Berlin, sondern auch bei ihrer alten Mutter bleiben, musste sich aber schließlich fügen. Sie fand Unterschlupf im Haus in Friedberg, zusammen mit anderen Ausgebombten im Dachgeschoss.

Als Wolf an die Ostfront versetzt wurde, hatte er Glück und landete schließlich bei der "Truppenbetreuung" im Hinterland. Erst gegen Ende des Krieges diente er wie alle Presseoffiziere bei der kämpfenden Truppe. Der Krieg war für ihn 1945 an der Grenze zu Österreich zu Ende. Zu Fuß kam er abgemagert und abgerissen im Sommer nach Friedberg zurück und wurde als erstes vom Hund der Schmidts, der ihn nicht mehr erkannte, gebissen.

Irm hatte 1944 von ihm aus Russland einen Brief mit der Bitte um Scheidung erhalten.

Die Scheidung wurde 1946 ausgesprochen. Sie lebte noch bis 1949 im Friedberger Haus, bis sie mit Anja nach Wiesbaden zog, wo sie Arbeit und Wohnung gefunden hatte.

Anja


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